Nico Pachali SPACE
BOOK, Vocabulary of Space, 2018-2020
Annett Reckert
Wir alle brauchen Platz. Zum Arbeiten, zum Spielen, zum
Lernen. Auch die Kunst braucht ihren Platz. Menschen, die sich mit Kunst
beschäftigen, sagen aber lieber Raum. Ein Werk aus vier Teilen von Nico Pachali
heißt SPACE BOOK, Vocabulary of Space. Book ist das englische Wort für Buch und
Space heißt Raum, aber auch Weltraum. Der Titel erinnert deshalb an die
unendliche Weite des Weltalls. Wir denken an etwas Unerklärliches. Wir können
uns unser Dasein nicht ohne Raum vorstellen.
Nico Pachali stellt mit Wörtern Versuchsreihen auf: Er listet in roten
Großbuchstaben geschriebene Wörter, bringt sie in eine bestimmte Reihenfolge,
gestaltet mögliche Räume auf Papier und auf halb durchsichtigem Kunststoff.
Diese PVC-Folie benutzt der Künstler sehr gerne. Sie lässt sich falten,
zusammenklappen, öffnen, verkleinern, vergrößern und bewegen.
Bewegung ist Nico Pachali wichtig. Seine Arbeiten sind immer veränderbar, sie
sind nie abgeschlossen. Eigentlich sind seine Kunstwerke wie ein Körper, der
wächst und mit seiner Umwelt verbunden ist. Der Künstler passt seine Kunstwerke
jedem Raum an. Manchmal sind sie stark gefaltet und verdichtet, dann verbergen
sie viel, wie ein geschlossenes Lager. Manchmal breiten sich seine Kunstwerke
auf dem Boden und an den Wänden weit aus. Was flach erscheint, hat für Nico
Pachali viel Raum für Gedanken.
So verbindet er in seiner Arbeit SPACE BOOK in einer langen Liste das Wort
space mit den Wörtern rejecting (ablehnen), isolating (isolieren), doubting
(zweifeln), denying (leugnen), folding (falten), reversing (umkehren),
reverting (zurücksetzen), fragmenting ( fragmentieren), dissolving (auflösen),
removing (entfernen), rotating (drehen), moving (bewegen), transforming
(verwandeln), mobilizing (mobilisieren), abstracting (aus dem Besonderen das
allgemeine ziehen), overlapping (überlappen), analyzing (sehr genau
untersuchen), simplyfying (vereinfachen), overlaying (überlagern), inversing (umkehren),
inverting (umkehren), negating (verneinen), overwriting (überschreiben).
Es ist merkwürdig, das Space Vocabulary von Nico Pachali ins Deutsche zu
übersetzen. Der Künstler mag die englische Sprache nämlich sehr. Vor allem die
klare Sprache im Sport. Zum Beispiel beim American Football. Bei diesem US-amerikanischen
Ballspiel geht es um Raumgewinn. Zwei gegnerische Mannschaften wollen eine
Endzone erreichen. Dazu gehören ein guter Plan, eine kluge Aufstellung der
Mannschaft und klare Anweisungen an die Sportler. Eigentlich lässt auch der
Künstler mit seinen Arbeiten solche Anweisungen im Raum stehen. Wir möchten
seine Arbeit falten, bewegen, verwandeln…Aber das dürfen wir im Museum nicht!
Das dürfen wir nur in unseren Köpfen, in unseren Gedanken. Also dürfen wir es
doch.
Annett Reckert, 2020, aus: sich in Sprache begegnen, 2020